Der Schüler und­ sein Lehrer...

Rembrandt Harmenszoon van Rijn und sein Schüler Samuel van Hoogstraten sind Meister im Umgang mit Farbe, Perspektive und illusionistischen Bildlösungen.
Aber wer steckt hinter diesen großen Künstlernamen?

Rembrandt
Harmenszoon van Rijn

(1606–1669)

Vom Schüler zum Lehrer

1622 fasste Rembrandt den Entschluss eine Malereiausbildung zu machen und begann seine Grundausbildung bei Jacob Isaacsz Swanenburgh in Leiden. 1624 zog er nach Amsterdam und arbeitete sechs Monate lang in der Werkstatt von Pieter Lastman, bevor er sich sein eigenes Atelier in Leiden einrichtete.

Ab 1634 bildete Rembrandt selbst junge Maler in seinem Atelier in Antwerpen aus. Heute werden etwa 50 Künstler mit Rembrandts Werkstatt assoziiert, 20 davon sind dokumentiert und 30 werden aufgrund ihres Mal- und Arbeitsstils mit dem Meister in Verbindung gebracht. Falls Rembrandt Aufzeichnungen über seine Schüler gemacht hat, sind diese heute verloren. Für viele der Maler war er bereits der zweite Lehrer, d.h. die Schüler hatten zuvor schon eine Grundausbildung gemacht. Die jungen Maler nutzten die Ausbildung bei Rembrandt, seine Popularität und Kontakte wahrscheinlich als Sprungbrett für die eigene Karriere.

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Rembrandt, Selbstporträt mit Palette und Malstock, um 1665,
English Heritage, The Iveagh Bequest (Kenwood, London) © English Heritage

Ehefrau.
Geliebte.
Mitarbeiterin.

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Rembrandt, Saskia van Uylenburgh in einem arkadischen Kostüm, 1635,
London, The National Gallery; bought with contributions from the Art Fund, 1938 © The National Gallery, London

1634

1634 heiratete Rembrandt Saskia van Uylenburgh, sie war die Nichte von Rembrandts Kollegen Hendrik van Uylenburgh. Die ersten drei Kinder des Ehepaars starben nur wenige Wochen nach der Geburt. Saskia verstarb 1642 kurz nach der Geburt ihres Sohnes Titus. Rembrandt zeigt seine Frau in zahlreichen Gemälden, Radierungen und Zeichnungen. 

1642

Geertje Dircks kam wahrscheinlich um 1642 als Kindermädchen für Titus in den Haushalt der Familie. Sie wurde zwischen 1600 und 1610 geboren, war also ca. im selben Alter wie Rembrandt und ebenfalls verwitwet. Insgesamt lebte Geertje für ca. sechs Jahre mit Rembrandt und Titus, woraus sich eine Liebesbeziehung zwischen ihr und dem Maler entwickelte. Nach der Trennung 1649 verklagte Geertje Rembrandt auf eine jährliche Unterhaltszahlung. Sie gewann den Prozess und Rembrandt musste ihr 200 Gulden pro Jahr bereitstellen.

1649 

1649 kam Hendrickje Stoffels als Haushälterin zu Rembrandt, sie war wohl der Grund für die Trennung zwischen dem Maler und Geertje Dircks. Hendrickje war 20 Jahre jünger als der Maler und wurde von ihrer Mutter in den häuslichen Dienst geschickt. 1654 kam die uneheliche Tochter Cornelia auf die Welt. Auch sie diente Rembrandt in vielen Werken als Modell. 

Rembrandts „Traumhaus“

Rembrandt unterzeichnete am 3. Jänner 1639 den Kaufvertrag für das Haus in der Sint Antoniesbreestraat, für das er 13.000 Gulden zahlte. Das Haus war groß für einen Amsterdamer Künstler, wahrscheinlich wollte Rembrandt bereits mit der Wahl des Hauses Eindruck bei potenziellen Kund*innen machen.

ca. € 1,806,000

oder ungefähr 43 Jahresgehälter eines durchschnittlich verdienenden Arbeiters zur selben Zeit

Damals verdiente ein Handwerker etwa 300 Gulden im Jahr.
Heute liegt das Durchschnittseinkommen bei 42.000 €.
Quelle: Rembrandthuis

Viele der Räumlichkeiten wurden für die künstlerische Arbeit und Ausbildung der Schüler verwendet. Es gab zwei Ateliers, ein großes für Rembrandt und ein kleineres für seine Schüler. Das Haus beherbergte zudem wahrscheinlich noch eine Druckwerkstatt, private Räumlichkeiten im zweiten Stock und er nutzte die Galerie, um dort an großen Gemälden wie zum Beispiel der Nachtwache zu arbeiten.

Im Haus befand sich auch Rembrandts Kunstsammlung. 1659 wurde seine Sammlung von „Kunst aus Papier, Raritäten, Antiken, Medaillen, Meereslebewesen und Pflanzen“ auf 11.000 Gulden geschätzt und seine Gemäldesammlung auf eine Summe von 6.400 Gulden.

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Museum Rembrandthuis, Foto/Photo: Aad Hoogendoorn © Rembrandthuis, Amsterdam

Sohn und Kunsthändler

Titus van Rijn wurde am 22. September 1641 geboren, er erreichte als einziges der vier Kinder Rembrandts und seiner ersten Frau Saskia das Erwachsenenalter.

Der Maler hat seinen Sohn selbst ausgebildet, Titus‘ malerisches Talent hielt sich jedoch in Grenzen und er war schließlich als Kunsthändler und Verwalter des väterlichen Vermögens tätig. Rembrandt lebte über seine Verhältnisse – er verwendete seine durchaus hohen Einkünfte nicht für die Rückzahlung seines Hauskredits, sondern erweiterte damit lieber seine eigene Kunstsammlung. Seine finanzielle Situation spitzte sich Ende 1655 zu und er hat erstmals versucht durch den Verkauf seiner Sammlung bei Auktionen an Geld zu kommen.

1656 wurde der Künstler schließlich für zahlungsunfähig erklärt und sein gesamter Besitz inventarisiert und veräußert. Titus und Hendrickje Stoffels gründeten schließlich einen gemeinsamen Kunsthandel, sie stellten Rembrandt als Mitarbeiter an und sicherten dem Maler so neue Geschäftskontakte und Aufträge.

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Rembrandt, Titus van Rijn, der Sohn des Künstlers, lesend, um 1658, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband, Kunsthistorisches Museum Wien

Aus Rembrandts Werkstatt in
die Welt

Samuel van Hoogstraten kam 1642 als 15jähriger nach Amsterdam ins Atelier von Rembrandt, nachdem er bereits in Dordrecht von seinem Vater, dem Maler und Silberschmied, Dirck van Hoogstraten unterrichtet worden war. Gemeinsam mit ihm waren auch Abraham Funerius und Carel Fabritius in den 1640ern Schüler der Werkstatt.

 

Eine Malereiausbildung dauerte in der Regel zwischen vier und sechs Jahren. Die Lehrlinge lernten die technischen Grundfähigkeiten, wie Farbe anmischen sowie Leinwände bespannen und grundieren. Der erste Schritt in der künstlerischen Ausbildung war das Kopieren von Gemälden und Drucken, danach kam das Zeichnen und Abmalen von Objekten und im letzten Schritt wurde nach lebendigen Modellen gemalt.

Erhaltene Zeichnungen geben Einblicke in die Unterrichtstechniken und Lerninhalte in Rembrandts Werkstatt. Sie zeigen Gruppensitzungen, in denen alle Künstler dasselbe Modell zeichnen. Es gibt Zeichnungen von Van Hoogstraten und Fabritius, auf denen dasselbe Modell aus leicht variierenden Blickpunkten erkennbar ist.

Hoogstraten, Der innere Burgplatz in Wien 6

„Das ist der erste Maler,
der mich getäuscht hat.“

Ein Star in Wien

Van Hoogstraten reiste 1651 nach Wien und erhielt im August eine Audienz bei Kaiser Ferdinand III.

Er präsentierte dem Herrscher drei Gemälde: Das Porträt eines Adeligen, eine Darstellung von Christus mit der Dornenkrone und ein illusionistisches Steckbrett. Der Bericht über die Begegnung besagt, dass Ferdinand die ersten Bilder mit Wohlwollen betrachtet hat, vom letzten Werk aber regelrecht gefesselt war. Seine Reaktion war: „Das ist der erste Maler, der mich getäuscht hat.“ Der Kaiser ehrte Van Hoogstraten mit der Verleihung eines Porträtmedaillons.

Ferdinand III. genoss eine sehr umfangreiche Erziehung und Ausbildung durch die Jesuiten in Wien. Er wird als fromm und gut ausgebildet in der Philosophie und anderen Wissenschaften beschrieben. Ein besonderes Interesse hatte der Kaiser an der Musik, er komponierte selbst Musikstücke, die er von seinem Hofkapellmeister Giovanni Valentini begutachten ließ. Er erweiterte auch die kaiserlichen Sammlungen mit Gemälden berühmter Renaissance- und Barockmaler, wie Tizian, Tintoretto oder Rubens.

London Calling

Nach seiner Reise durch Zentraleuropa und Italien von 1651-1655 und einem längeren Aufenthalt in seiner Heimatstadt Dordrecht lebte Hoogstraten von 1662 bis 1667 mit seiner Frau Sara Balen in London.

Seine Zeit in England war geprägt von Porträtaufträgen und dem von Hoogstraten neu entwickelten Motiv der Architektur- und Perspektivansichten. Dabei handelt es sich um sogenannte „Doorkijkjes“ (dt. „Durchblicke“), in denen sich endlose Ausblicke in neue Räume und Landschaften öffnen.

Bei den dargestellten Gebäuden und Palasthöfen orientierte sich Van Hoogstraten wahrscheinlich an mediterranen Beispielen, die er auf seiner Reise durch Italien gesehen hatte, griff aber nicht auf konkrete Gebäude zurück. Die Innenräume der „Doorkijkjes“ hingegen erinnern an niederländisches Interieur. Außergewöhnlich ist das immer größer werdende Format der Architekturansichten. Van Hoogstraten bietet den Betrachtenden bis zu lebensgroße Schwellen zum Durchblicken und spornt sie so zum genauen Erforschen an.

Die sichtbare Welt

Van Hoogstraten arbeitet ab ca. 1675 an seinem Malereitraktat Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst, anders de zichtbaere werelt (Einfühung in die hohe Schule der Malkunst; oder Die sichtbare Welt), welches in seinem Todesjahr 1678 schließlich auch publiziert wurde.

Das Ziel des Traktats war, das Ansehen und den Status der Malerei zu erhöhen, die in dieser Zeit mehr als Handwerk bzw. gemeine Kunst verstanden wurde. Es richtet sich an Maler*innen, Schüler*innen und Kenner*innen.

Van Hoogstraten definierte darin die Malerei als „eine Wissenschaft mit dem Ziel, alle Ideen oder Begriffe abzubilden, welche die sichtbare Natur hervorbringen kann, und das Auge mittels Zeichnung und Farbe zu täuschen.“ Demnach wird die Malerei zu einer universellen Wissenschaft, welche alles Sichtbare darstellt und gleichzeitig das Auge täuscht. Außerdem gibt er immer wieder Einblicke in seine Zeit in der Werkstatt von Rembrandt und widmet sich u.a. auch praktischen Themen wie Farbe, Malweise oder auch dem angemessenen Aufstellungsort von Gemälden.

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Hoogstraten, Selbstporträt, 1645, LIECHTENSTEIN. Die fürstlichen Sammlungen, Vaduz–Wien © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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Hoogstraten, Der Innere Burgplatz in Wien in einem fingierten Rahmen, 1652 datiert © KHM-Museumsverband, Kunsthistorisches Museum Wie

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Jan van den Hoecke, Brustbild Kaiser Ferdinands III., um 1643, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband, Kunsthistorisches Museum Wien

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Hoogstraten, Perspektivische Ansicht mit einem lesenden jungen Mann in einem Renaissancepalast, 1662/67, Dordrechts Museum © Dordrechts Museum, Foto: Bob Strik, Reprorek

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Frontispiz aus: Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst; anders de zichtbaere werelt (Einführung in die hohe Schule der Malkunst oder die Sichtbare Welt), 1678, Amsterdam, Museum Rembrandthuis © Rembrandt House Museum, Amsterdam. Foto: Anne Roos