Pigmente, Pinsel und Palette

Maltechnik und Farbauftrag

„Die Seele der Kunst ist es, die Natur in ihren Eigenschaften zu erforschen.“

Samuel van Hoogstraten

Wie der Lehrer, so der Schüler – Rembrandt und Hoogstraten als forschende Künstler

Quellen zufolge hatte Rembrandts Werkstatt den Charakter einer Akademie: Der Meister vermittelte sein Wissen sowohl durch praktische Aufgaben als auch theoretische Diskussion, Holztafeln und Leinwände wurden zum Experimentierfeld für visuelle Illusionen. Das prägte wohl auch Van Hoogstratens Verständnis der Malerei als angewandter Wissenschaft. In seiner Abhandlung Inleyding schreibt er: „Die Seele der Kunst ist es, die Natur in ihren Eigenschaften zu erforschen.“ Junge Künstler*innen müssen dazu ein „malerisches Auge“ entwickeln, also lernen, die Natur als Anordnung von Farben, Lichtern und Schatten wahrzunehmen. „Man braucht“, so Van Hoogstraten weiter, „intensive Aufmerksamkeit, um die Dinge in ihrer unverfälschten Brechung der Farben richtig zu ergründen und (…) darzustellen“.

„Es ist die Farbe, die wahre Perfektion verleiht.“

Van Hoogstraten zufolge sollen alle Maler*innen nach der Fähigkeit streben, die gesamte sichtbare Welt darstellen zu können. Farbe bildet das Medium, in dem dies geschieht. Gekonnte Pinselführung und subtile Farbübergänge sind daher zentral für die Überzeugungskraft eines Werkes. Wie das Schreiben eines Wortes mehrerer Buchstaben bedarf, „so greift man im Kolorieren eines jeden Dinges für jeden Pinselstrich zu verschiedenen Farben“, führt Van Hoogstraten aus. Die Art und Weise, wie die Farbe aufgetragen wird, soll dabei an die Eigenschaften der dargestellten Oberflächen erinnern. Aus der Ferne oft unbemerkt, spielt die materielle Beschaffenheit der Farbe für die Bildwirkung eine maßgebliche Rolle.

Hier können Sie zwei Werke aus nächster Nähe betrachten. Achten Sie auf Farbgebung und Pinselführung!

„Glatt und fein“ 

Hoogstratens Alter Mann im Fenster

In Rembrandts Werkstatt entstanden in den 1640er Jahren zahlreiche Gemälde, die Figuren in fingierten Rahmen zeigen und so die Grenze zwischen Bildraum und Wirklichkeit verwischen. Dieses Thema beschäftigte auch Van Hoogstraten zeitlebens – wie etwa sein Werk Alter Mann im Fenster belegt, das er in Wien für Kaiser Ferdinand III. malte.

Die Oberfläche des Gemäldes erscheint auf den ersten Blick glatt und geschlossen.

Akribisch schildert Van Hoogstraten unterschiedliche Materialien: Subtile Farbübergänge bilden faltige Haut nach; Glanzlichter lassen Augen glasig werden; scharfe Linien charakterisieren krause Barthaare, während mit trockenem Pinsel nebeneinander gesetzte Farben die Weichheit des Pelzes vermitteln.

Kürzere und längere senkrechte Pinselstriche sowie Farbflecken mit auslaufenden Rändern deuten die Struktur des harten Kalksteins und die Spuren seiner Bearbeitung an. Matte Oberflächen wie Stein oder Holz kontrastiert Van Hoogstraten mit glänzenden Materialien, wie Glas oder Metall.

Mit kräftigen Linien in unterschiedlichen Grautönen zeigt Van Hoogstraten, wie das Licht von der Metallfassung der Butzenglasscheiben reflektiert wird.

Der Schlagschatten des Blattes legt nahe, dass es über den Sims in den Raum der Betrachtenden ragt – und doch ist es nicht zu fassen. Im durchscheinenden Glasgefäß bricht sich das Licht. Bei genauer Betrachtung lässt sich links davon ein Wassertropfen ausmachen, der lediglich durch feine Glanzlichter dargestellt ist.

Durch schwarze Linien angedeutete Schatten lassen Hoogstratens Signatur wirken, als ob sie tatsächlich in den harten Stein gemeißelt wäre.

Hoogstraten, Alter Mann im Fenster, 1653. © KHM-Museumsverband, Kunsthistorisches Museum Wien

„Rau und offen“ 

Rembrandts Juno

In seiner Inleyding unterscheidet Van Hoogstraten zwischen einer „glatten und feinen“ sowie einer „rauen und offenen“ Malweise. Letztere spricht er auch seinem Lehrer Rembrandt zu. Bereits in seinen Frühwerken nutzte dieser die Materialität der Farbe, um illusionistische Effekte zu erzielen. Im Laufe seiner Karriere entwickelte Rembrandt eine immer freiere Malweise. Dies lässt sich etwa an seinem Gemälde Juno ablesen, das die römische Göttin der Ehe zeigt und nur wenige Jahre vor Rembrandts Tod entstand.

Junos strikt frontale Haltung geht wohl auf Rembrandts Auseinandersetzung mit venezianischen Porträts des 16. Jahrhunderts zurück. Im Hinblick auf die Malweise könnte ihn Tizians Spätwerk inspiriert haben.

Um die im Licht aufblitzende, goldene Krone darzustellen, trägt Rembrandt die Farbe pastos, das heißt besonders dick, auf.

Das hell erleuchtete Gesicht der Göttin formuliert Rembrandt im Vergleich zu anderen Partien genauer aus; weiße Glanzpunkte und Schatten rechts sorgen für Plastizität.

Junos glänzenden Schmuck arbeitet der Maler indirekt heraus, indem er die zahlreichen Lichtreflexe darauf ins Bild setzt.

Mit breiten Pinselstrichen und hellen Farbklecksen gibt er den Ärmel aus schimmerndem Stoff wieder. Der beleuchtete Handrücken darunter ist deckender und weniger detailliert ausgeführt.

Den Stoff des kostbaren Kleides deutet Rembrandt nur an. Teilweise ist die Farbe so dünn aufgetragen, dass die darunterliegende Leinwand durchscheint. An einigen Stellen kratzt er Strukturen in die noch nasse Farbe.

Rembrandt, Juno, 1662/65, Los Angeles, Hammer Museum, The Armand Hammer Collection, Gift of the Armand Hammer Foundation © Hammer Museum, Los Angeles, US